Allein mit den Wörtern (aus "Der kluge Kopf beim Wort genommen")

 
Es ist acht Uhr morgens und Sokrates schweigt. Aber das tut er immer. Sokrates ist eine winzige glatzköpfige Plastikfigur mit weißem Bart und Lendenschurz. Halb Eremit, halb Fakir, ist er ursprünglich ein Überbleibsel aus einem ,,Kinderüberraschungs"-Ei. Und sollte eigentlich mit einem Partner gleichen Zuschnitts auf einer winzigen Draisine herumfahren und dazu Kniebeugen vollführen. Fahrzeug und Gefährte sind aber seit langem verschollen, und so bekam er einen neuen Tätigkeitsbereich in meinem Arbeitskeller angewiesen: zwischen den verschiedenen PC-Bildschirmen, im Cockpit meiner Gedankenflüge, repräsentative Denkerposen einzunehmen und damit meine geistigen Strebungen sinnbildlich zu vertiefen. Dank voll beweglicher Gelenke hat er ein beachtliches Repertoire (sitzend, kniend, mit baumelnden Beinen), er wird für mein heutiges Wörterdutzend zweifellos wieder sein Bestes geben. Das ist allerdings auch gefordert: Ein neues Rätsel ist dran, ein bislang nahezu unberührtes Diagramm mit 52 Wörtern, das als fast hermetische Phalanx unbewältigter Umschreibungen vom Papier dräut - ein wahrer Gaurisankar; so muss Bergsteigern vor unbestiegenen Riesenmassiven zumute sein.

Aber mal sehen, als einsam ragende Vorposten habe ich gestern beim Abtippen ja schon ein paar Pflöcke einrammen können. Genau: Hinter Waagerecht 6 ARGENTINIEN harrt der Vermerk „Hans Söhnker!" In den 30ern hat der beliebte Darsteller nämlich einen Tangoschlager für Platte und Film eingespielt, den er später lieber bagatellisierte:Unter den Pinien von ARGENTINIEN habe ich mich so in dich verliebt und bei den Bananen begann ich zu ahnen, dass es keine größ`re Liebe gibt. " Wunderbarer Blödsinn, unverbraucht auch, also eine sichere Bank, und noch viel wichtiger, sehr wohltuend zur Einstimmung. Sofort gut gelaufen ist es auch bei Waagerecht 23 EPISTEL - meine Idee „korrespondiert so schön mit Apostel" kann ich gleich so stehen lassen. Zu Waagerecht 24 BÜFFEL habe ich „Spitzname Bernhard Wickis im Spielfilm ,Der Zürcher Verlobung' mit Lilo Pulver" notiert, na, mal sehen, was das am Ende geben wird; Waagerecht 45 KREDITE hat ebenfalls auf Anhieb „den DDR-Sozialismus beSwingt"; Senkrecht 16 MOSAIK werde ich vermutlich, wenn schon nicht buchstäblich, so doch wortwörtlich „aus Bruchstücken zusammensetzen" - ein ZDF-„Senioren-Magazin" und eine DDR-Comic-Zeitschrift hießen nämlich mal so. Und dann ist da noch mein Glanzstück: WUESTENBEWOHNER - „Bei denen ist die Volkszählung noch jedes mal im Sande verlaufen!“ Na, wenn das kein Brüller ist. Damit wäre mein Vorauskommando ins Ungewisse allerdings auch schon komplett angetreten, schlappe sechs wackere Musketiere, und dazwischen gähnen die Schluchten und Abgründe des assoziationsfreien Raumes. Graue, wesenlose Mäuse hausen darin in unerhörter Bezugsarmut und heute hören sie auf die Namen TEICH KOOG ONNO EIFER MERAN KORIANDER RISS NEFFE IWAN ANTI NOCH und ROT - als Joker mit der Nummer 13 fallt einzig das MOSKITONETZ als geradezu markant auf. Wie weiter? Erst einmal alle schnell untereinander auf einen Schmierzettel - zum triumphalen Durchstreichen, ach was, Durchfetzen nachher, wenn sie alle besiegt, die Fühler nach oben auf dem Rücken liegen. Und man muss ja nicht oben anfangen, ach woher denn, jetzt doch nicht schon zu Anfang solch verbiesterte Festlegungen! Verkrampft doch bloß! Ganz entspannt, ganz locker an „Iwan" herangepirscht, alles kann, nichts muss, nicht wahr?

Sokrates wird positioniert (sitzend, so dass es aussieht, als ob er mir fest die Daumen drückt) und IWAN samt sämtlichen Probekandidaten auf eine Geisterbahnfahrt durch meine Hirnwindungen gejagt: Der Schreckliche, Tolstojs Iwan Iljitsch und Herr Rebroff purzeln als Erste („zu unoriginell!“, „zu durchgekaut!“) wieder von der Fuhre, Dichter Iwan Bunin hüpft als schon mal benutzt beleidigt hinterdrein, ebenso geht's Solschenizyns Denissowitsch als zu tragischem Exemplar und nach kurzer Bedenkzeit auch dem Kölner Bankenpleitier Herstatt wegen seiner doch reichlich verjährten Anstrengungen in diesem Metier. Aber was ist denn mit dem Kinoschauspieler Desny, dem bewährten FAZ-Karikaturisten Steiger?

Kurze, trügerische Hoffnungsschimmer - schnelles Nachschlagen in Zeitung und Lexikon belehren mich, beide Herren schreiben sich mit v. Aber noch etwas haben die mittlerweile hochgefahrenen mentalen Suchfunktionen im Fundus aufgestöbert, einen sich heftig sträubenden Kater. Tucholskys Kater im schwedischen Exil - hieß der nicht auch IWAN? Ja, hieß er. Aber was heißt das? Bzw. wer weiß das? In akuter Optionsnot entschließe ich mich dennoch, das legendäre Tier als möglicherweise in Frage kommendes Faktum anzuerkennen, und gehe nach diesem Unentschieden gemäß selbst vereinbarter Notnagel-Konvention direkt an den Listenanfang zu TEICH zurück - Sokrates ansehen darf ich dabei allerdings nicht. Und siehe da, Glückes Geschick, sofort wehen aus irgendeinem dämmrigen Bewusstseinswinkel Fetzen des alten Küchenliedes vom „Mariechen, das weinend im Garten saß“ herüber, still, traurig, geisterbleich samt schlummerndem Kind – „und Wellen schlug der TEICH..." Und halt: War das nicht eines der Lieblingslieder Konrad Adenauers? Das er gemeinsam mit Tochter Libeth und Besuchern auf der Gartenbank im Urlaubsdomizil Cadenabbia sang? Hab ich doch in Walter Henkels' Anekdotenbüchern über den Altbundeskanzler irgendwo gelesen, war doch 'ne schöne Kolorierung des Zusammenhangs? Eine geschlagene Viertelstunde lang sieht mich Sokrates in den Taschenbüchlein blättern, dann gebe ich auf; ich finde es leider nicht (sondern erst sechs Wochen später auf Anhieb, und ärgere mich, dass ich Recht hatte, denn inzwischen ist das Rätsel längst erschienen). Aber immerhin: TEICH ist dank Kummer-Mariechens bewältigt.

Das assoziative Einfallstor Adenauer-Ära hat mir offenbar auch den Blick auf den benachbarten KOOG geweitet, denn sofort melden sich der damalige Bundespräsident Lübke und sein älterer Bruder Friedrich-Wilhelm zur Stelle: „Hoch im Norden, wo schon mancher was geworden, hieß es da auch für die Brüder Heinrich und Friedrich Wilhelm Lübke: Sieh zu, dass du Land gewinnst – dank ihm!“, dichte ich munter auf den Bildschirm. Für die Auflösung gleich anschließend akribische Fakten-Recherche im Internet. So erfahre ich über den Bundespräsidenten-Bruder, dass sich dieser sauerländische Schustersohn zunächst mit Kapitänspatent für große Fahrt als Weltumsegler, dann mühsam auf einem kleinen Bauernhof in Schleswig-Holstein durchschlug, die Familie zeitweilig mit Seefahrtsromanen ernährte - und es trotz dieses Hintergrunds, als Zugezogener, Gebrauchsschriftsteller und auch noch Katholik schaffte, zwischen den Meeren zeitweilig Ministerpräsident zu werden - alle Achtung! (Und vor lauter Bewunderung entgeht mir, dass zu Ehren des ehemaligen Bundespräsidenten niemals auch nur ein Quadratmeter Land eingedeicht worden ist, es gibt nur einen Friedrich-Wilhelm-, aber keinen Heinrich-Lübke-Koog - trotz Belegstellen im Internet, die die Brüder offenbar verwechseln. Einen Tag vor Textabgabe kann ich es gerade noch feststellen und mir so eine Flut von Raterbriefen von der Waterkant ersparen.)

Was ich, während ich jetzt hier sitze, aber noch nicht weiß. Noch strotzt das Heinrich-Lübke-Koog-Phantom vor Daseinskraft, und immerhin zwei aus meinen Listen sind nun schon von kraftvollen Kulistrichen durchgesäbelt ... Ach, du lieber Himmel, es ist ja schon fast neun Uhr! Wo sind die Zeiten hin, wo mir alles nur so zuflog, ich bei meinem zugegebenermaßen hoch empfindlichen Sensorium nur vorsichtig anzuklopfen brauchte, und schon öffnete sich die Tür zu wahren Schatzkammern geheimnisvollster Tatsachenverbindungen? Noch vor zwei Wochen, wie souverän wurde da WALLIS abgefertigt! „Mit Simplon ein dortiger Pass!“ Ja, wenn so was dazwischen wäre! Oder, immer wieder gern komme ich drauf zurück: ALGEN: Aus Gründen der Weiterbildung warten sie im Wasser auf Erleuchtung!“ Das waren Einfalle - stattdessen krautere ich jetzt eine Stunde auf diesen altbackenen Marginalien herum und drücke mich um die Problemzonen. EIFER mag eventuell noch mit einem Prominenten-Zitat oder einem deutschen Sprichwort beizukommen sein, aber ONNO? Den Vornamen kennt man doch außer auf ostfriesischen Standesämtern in Deutschland nirgends, Teetrinker vielleicht noch die Marke ,,Onno Behrens". Otto Normalverbraucher Nord-Ost? Yoko Onno? Oh, no! (Kalauerpolizisten zerren einen händeringenden Scharlatan wegen eklatanter Pointenvortäuschung von der Bühne: mich.)

Aber Moooment: Da war doch noch der Sophie-Wörrishöfer-Schmöker, meine alte grüne Scharteke vom „Schmugglersohn von Norderney“? Onnen Visser heißt er aber leider unumstößlich! Mist! Aber die Norderneyer haben ihn in ihrem Inselplatt doch zweifellos Onno genannt! Der wetterharte Schmugglersohn trollt sich missmutig zu Tucholskys Kater Iwan in die Warteschleife.

Wobei von Sokrates allerdings eine wachsende Unruhe auszugehen scheint. Und er hat Recht: Mit Hans Söhnkers ARGENTINIEN, BÜFFELs „Zürcher Verlobung“, MOSAIK als ZDF-Sendung und DDR-Comic-Heft, nun auch noch den Lübke-Brüdern als KOOG- Namensgebern, eventuell Tucholskys Katze und einem ostfriesischen Schmöker-Abenteurer ist das Schnokus- Konto schon restlos überzogen. »Wenn ich Sie daran erinnern darf, Herr Meu", mahnt des Denkers gehobene Augenbrauenpartie, „dies Rätsel verfassen Sie nicht für eine Knobelpostille exzentrischer Kuriositätenfreunde, sondern für das Flaggschiff der deutschen Tagespublizistik, die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Jeden Freitag erscheinen Sie, sorgfältig betreut, an repräsentativer Stelle im Ressort ‚Deutschland und die Welt'. Möchten Sie sich mit diesen Absonderlichkeiten in der Hellerhofstraße als bordeigener Klabautermann empfehlen? Die bisher geleistete Arbeit hat Sie im letzten Oktober sogar in die BILD-Zeitung verschlagen - die ,In/Out'-Liste nannte als angesagten Trend ,das schwierige Kreuzworträtsel der FAZ’ - all das kann sich ändern, Sie verstehen?"

Natürlich verstehe ich: Mehr Eleganz! Mehr Weitläufigkeit! Grazie! Rumpelkisten-Plunder höchstens zur Anreicherung! Leicht geschürzt und doch gediegen! Und vor allen Dingen: Mehr Abwechslung! Wie hieß es doch so schön bei den „Monty Pythons“: „And now for something completely different!“ Also zu EIFER jetzt bloß nicht auch noch ein steifleinenes Zitat, lieber abwandeln zu irgendetwas mit „Ei, ver..."

So zappe ich mich einmal kurz durchs ganze Spektrum der lexikalischen Anschlussmöglichkeiten von -flixt bis -wünscht, unterbrochen von einer hartnäckig dazwischenfunkenden sächsischen Frequenz. Ihr ,,-bibbscht, -bibbscht, -bibbscht" setzt sich am Ende durch, und die Arbeitshypothese „Sagen Sachsen mit viel solchem, damit`s nachher ordentlich bibbscht!“ erscheint nach kurzem Bemühen als durchaus vorzeigbar - soll keiner sagen, ich dächte nicht auch an die neuen Bundesländer! Der neue Elan schwappt auf das folgende MERAN über, das ähnlich zügig abgefertigt wird: „Es ist wohl das ... Urlaubsqualität, das uns immer wieder in die Südtiroler Metropole zieht.“

Und die Freude über diese kleine Unverfrorenheit trägt mich bis ans schuppige Silbenungetüm KORIANDER heran. Auch hier stand mir die praktikabelste Herangehensweise schon vor Augen. Das Wort nämlich in zwei Hälften zu zerlegen und die dann in zwei aufeinander folgenden anderen Wörtern unterzubringen, wobei für die zweite Worthälfte etwas mit „ANDERweitig“ schon reserviert ist. Es gilt also nur noch ein Wort zu finden, das auf -KORI endet, und schon hat man den Kern für die Umschreibung, dass man nämlich nur „-?- KORI ANDERweitig verwenden“ muss, um auf die Lösung zu kommen. Aber wie sich in der entmutigenden nächsten Viertelstunde herausstellt: die KORI-Phäe, auf dies Wörtchen zu kommen bin ich leider nicht - als nächstgelegene Reimsilbe listet Steputats Lexikon „oria" auf, von der die herrlichsten Möglichkeiten von Dona bis Gloria zu mir Einsamen herüberwinken - aber eben von der fidelen Nachbarinsel, hier auf -KORI bin ich ausweglos gestrandet, da kann ich herum-KORI-gieren, so viel ich will. Also die eiserne Ration heraus, das Säckchen Scrabble-Steinchen, aus dem ich mir KORIANDER zusammenfische, um die Buchstaben zu Anagrammen zu verschieben. Das Ergebnis ist eine niederschmetternde Modellreihe, ein Mummenschanz höckeriger Missgestalten zieht vorbei: Der RADIOKERN, eine ODIN-KARRE (wahlweise DINOKARRE), eine NORD-ERIKA, das INDERKARO und die KORAN-DREI, ein IRAK-ORDEN, die RIAD-KRONE, dazu noch der IRE KONRAD und die weltbekannten OKA-RINDER vom ostsibirischen Fluss - weg mit den hybriden Kreaturen! Sich dem offenen Scheitern auf öder Halde entschlossen gestellt!

Das heißt, entweder einen mentalen Blockadebrecher einsetzen, will sagen ich manövriere mich in einen echten Wutanfall, bei dem man dann im ganzen Haus hört, wie ich mit der Faust auf den Tisch haue; der Zorn über die alberne Figur, die ich bei derartigen Ausbrüchen mache, ist oft sogar der entscheidende Energieverstärker (hat - toi, toi, toi! - bis jetzt noch immer geklappt - von der barbarischen, aber seltsamerweise ebenfalls wirksamen Methode, in kürzester Zeit eine Tüte Kartoffelchips zu verdrücken, bin ich inzwischen abgekommen) - oder ich verabschiede mich kurzfristig zu anderen Verrichtungen, die, je länger ich drüber nachdenke, je weniger Aufschub dulden: Dies ist die Zeit, in der ich altersschwachen Taschenlampen nur zu gern die lang fehlende Batterie einsetze, Rasenmäherkabel aufwickle, das Auto in die Waschanlage fahre, in allen Zimmern herumfliegendes Kleingeld sammle (und anschließend in Sparkassenpapier zu abgabefähigen Rollen drehe), Hemden nach kurzen und langen Ärmeln anordne, Altglas aussondere, aktuelle Wahlkampf-Faltblätter und Ankündigungen zur nächsten Elternversammlung studiere oder auch nur den Zählerstand bei Gas- und Stromanschluss nachprüfe. Nie fülle ich Überweisungen mit größerer Sorgfalt aus, nie lese ich interessierter in alten Gebrauchsanweisungen herum, um eventuell ungenutzte Möglichkeiten an unserem Hausrat zu entdecken, nie sind mir CNNs internationale Hotelempfehlungen, ntv's Aktienkursdurchlauf oder ein Artikel aus der Spiegel-online-Rubrik „Vor 50 Jahren" relevanter. Oder man schmökert auch nur beiläufig herum und hofft als schönste Blüte einer solchen l'heure bleue auf eine federleicht daherkommende Umschreibung. Im heutigen Fall von KORIANDER, die sich aber partout nicht einstellen will. So kehre ich nach einigem Herumgewandere zu Sokrates und den Computern zurück, die das angenehm kommentarlos zur Kenntnis nehmen. Ein unhörbares inneres Räuspern meinerseits, dann geht's weiter; was haben wir denn heute noch im Programm:

RISS? „Sein Trend: er trennt“, denkt es so rasch wie unerwartet in mir und stellt mich damit wieder einmal vor das Rätsel: Wie ging das nun wieder zu, wo kam das nun wieder her? Jedenfalls kann's so stehen bleiben. ROT? Mit Anschlusskandidat? Aber die sind von Karte über Trikot, Kohl, Ta-, Buche bis Spon und Kehlchen allesamt abgebraucht und dröge. Nicht ein etwas munterer Vertreter dazwischen? Doch: -Bart, und zwar der rostfreie der alten Rasierklingenmarke. Ließe sich der eventuell mit Ritter Blaubart in einen pfiffigen Zusammenhang bringen? (Ein unbrauchbarer Bluff, auf den ich da hereinfalle, „Der Knall- Effekt war wohl das .../ bei Wencke Myhres Gummiboot“ steht dann bei Abgabe da, nachdem ich mich noch zwei Vormittage an Ludwig Unlands „Kaiser Rotbart Lobesam“ aus dem „wackeren Schwaben“ herumgemüht habe.)

NOCH, weiß man ja, ist Polen nicht verloren, ist nicht aller Tage, sind die Tage der Rosen, war Schillers „Pilgrim“ in seines Lebens Lenze, als er „wandert aus“. Besonders hartnäckig blockiert eine völlig unbrauchbare Biermann-Ballade zum Prager Frühling mit diesem Titel als Störsender sämtliche Horchposten meines Gedankenradios, die auch noch Sequenzen von Schlagersänger Bata lllic, der NOCH Sand in den Schuhen von Hawaii hatte, und Karnevalssänger Jupp Schmitz' Suppe, die NOCH da ist, auffangen - alles Fälle fürs Schnokus-Ressort, und das ist für dieses Rätsel schon überstrapaziert. Was also, damit wir nicht auf ein fürchterlich mattes „Hurra, wir leben wie, Herr Simmel?“ herausreden müssen? Bei den Richtern, die es in Berlin gibt, platzt dann irgendwann auch dieser Knoten (und der Büchmann belehrt mich für die Auflösung darüber, dass es sich bei dieser Redewendung um eine rückübersetzte Verkürzung von „Oui, si nous avions pas des juges à Berlin“ aus dem Lustspiel „Der Müller von Sanssouci" von Andrieux von 1787 handelt), Marlenes Lied von ihrem Berliner Koffer trudelt als Zugabe noch hinterdrein, und so geht NOCH mit <>„Wie gibt es Richter in Berlin – und auch Marlenes Koffer?" durch die Zielgerade.

ANTI - war erst vor einigen Wochen unter den Umschreibungskandidaten, damals habe ich mich zu den ANTI-Transpiranten unter den 70er-Jahre-Deos retten können, aber hatte ich da nicht noch eine brauchbare Alternative verworfen? Richtig: Die ANTIlopen: „Keine Lopen in den Tropen? Dann haben die sich wohl energisch durchgestzt!“ Bei mir kommt eben nichts um.

Und wie schön sieht jetzt meine Acht-Uhr-Liste aus. Wie ausgeglichen sitzt Sokrates da! (Überlegt sich sicher schon, was er heute Nachmittag alleine macht.) Nur der NEFFE ist noch ohne triumphale Querschraffur. Aber bitte nicht die abgenutzten Verwandtschaftsverhältnisse in Entenhausen bemüht, nicht Monsieur Diderot samt dem Geschwistersohn des Herrn Rameau, auch Jacques Tati nicht, der sich ja mit einem seiner Film-Titel „Mon Oncle“ selbst zu einem gemacht hat. Gibt es nicht evtl. ein prominentes Onkel-NEFFEn-Paar? Nach einigem Überlegen gibt es das gesamtdeutsche der De Maizieres: Onkel Ulrich ehemals Generalinspekteur der Bundeswehr, Neffe Lothar letzter Ministerpräsident der DDR: „Es schätzt Herr Ulrich de Maizière als solchen seinen Lothar sehr.“ Wobei ich auf das herzliche Einvernehmen der beiden natürlich nur hoffen kann, Skrupel wegen der schon Lübke-Brüder-Köge lösen sich ein paar Tage später in nichts auf, als sich, siehe oben, zumindest einer der beiden als Aktiv erweist.

Uff. Fertig. Für heute fällt der Vorhang. Vorhang? Augenblick mal, der Joker mit der Nummer 13 hieß doch heute MOSKITONETZ: „Tropennacht im Dschungelzelt, wenn dieser letzte Vorhang fällt?“ Jawoll. Feierabend, Sokrates, morgen geht's weiter! (Fröhlich schnipse ich ihn mit Daumen und Zeigefinger hintenüber in eine Klebestreifenrolle.)

Und es geht am nächsten Tag auch weiter, auch am übernächsten - es ist, als ob man angelt, aber ohne Angel - und zum Abgabetermin steht für alle 52 Wörter etwas da. KORIANDER wird sich in zwei volkstümliche Synonyme auflösen: „Wer backt sich schon mit Schwindelkörnern und Hochzeitskügelchen sein Brot.“ ONNO kommt mit einer „Ostfriesischen NamensNennungsOption“ gerade noch so über die Runden, und mit dem ostfriesischen Schmugglersohn Onnen Visser hat auch Tucholskys Kater Iwan die Reservebank fauchend wieder verlassen: „Er steht davor bei der Frage an seinem Radio“ - Er-IWAN nämlich. „früher auch froh, wenn er wegen der Antwort nicht sitzen musste. (Vorn.)“

So hat es bislang noch immer geklappt, niemanden wundert das mehr als mich und während alles per E-Mail nach Frankfurt befördert wird, bewegt mich dann nur noch die Frage: Ist ein bisschen von dem Abendwind mit aufs Papier gekommen, der mir bei meinen Dauerläufen durch die Felder der Umgebung entgegenschlug? Das Hochschrecken mitten in der Nacht, als für IWAN plötzlich die Radio-Er-IWAN-„Er"-Lösung auftauchte und ich mir beim Schein der Nachttischlampe einen Erinnerungsschnörkel aufs Notizpapier kritzelte? Das Stückchen Beethoven-Sonate A-Dur op. 69 für Klavier und Violoncello, das ich mir dafür zur Belohnung gönnte, das Wochenende mit der Familie an der Ostsee, das Knistern des Silberpapiers, wenn die Schokoladentafel immer kleiner wird, die Kritzelmännchen am Rand der Schmierzettel, mein treues Lampenlicht, Jazz-Takte aus dem Radio im Nebenzimmer und der schwerelose Moment, wenn das große Halali der Fragezeichen mal wieder leise verklingt? Alles mit drin? Na denn, auf ein Neues!